Naturschutzstation Schloss PrießnitzProjekteWas lebt auf dem Kuhfladen? Wilde Weidelandschaften und die Insektengemeinschaften des Dungs

Wer lebt im Kuhfladen?

Die NABU-Naturschutzstation Schloss Prießnitz begibt sich auf den Beweidungsflächen der NABU-Landschaftspflege auf eine eigene Forschungsreise.

Jeder Kuhfladen beherbergt eine vielfältige Lebensgemeinschaft, an der nicht nur koprobiont lebende Blatthornkäfer aus den Familien der Geotrupidae und Scarabaeidae beteiligt sind, sondern auch unzählige Arten von Fliegen sowie Stutz- und Kurzflügelkäfer, die sich ihrerseits von den Larven der Koprobionten ernähren. Neben den Käfern weiß man bei den Diptera (Zweiflüglern) von ihrer Vorliebe für Kuhfladen.

Gelbe Dungfliege der Gattung Scathophaga und Gemeine Dungkugelkäfer der Gattung Sphaeridium. – Foto: Esther Sossai
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Gelbe Dungfliege der Gattung Scathophaga und Gemeine Dungkugelkäfer der Gattung Sphaeridium. – Foto: Esther Sossai

Dungbewohner – gefährdete Alleskönner

Dungkäfer sind anspruchsvolle Insekten, sie brauchen eine abwechslungsreiche und dynamische Landschaft. Weiden mit Wald in der Nähe und eine lockere Vegetationsdecke zur Erwärmung des Bodens sind Grundvoraussetzungen für Dungkäfer und ihre Larven. Die koprophagen Blatthornkäfer gehören zu den am stärksten gefährdeten ökologischen  Gruppe innerhalb unserer Insektenfauna: ihr Niedergang ist eine Erscheinungsform des Insektensterben. In der modernen  Agrarlandschaft sind die vielfach verschwunden und bereichern jetzt die Rote Liste der gefährdeten Arten.

Grund ist die veränderte Landnutzung – vor allem die Intensivierung der Viehwirtschaft mit Gabe von Entwurmungsmitteln und Antibiotika. Eine vielfältige Dungfauna ist dagegen nur in einer antibiotikafreien Tierhaltung möglich, denn die Medikamente wirken sich nicht nur auf Bakterien negativ aus, sondern in der Folge auch auf alles andere Lebende. So gilt zum Beispiel der Seidige Pillenkäfer (Gymnopleurus geoffroyi) in Deutschland als ausgestorben. Der Mondhornkäfer (Copris lunaris) ist in vielen Gebieten, besonders in den südlichen Ländern Ost-deutschlands, verschollen. Er gehört in Deutschland zu den streng geschützten Käferarten gemäß Bundesartenschutzverordnung. Früher waren diese zwei Käfer typische Vertreter auf einer Rinderweide.

Daher gibt der NABU nur im begründeten Krankheitsfall im Sinne des Tierwohls entsprechende Medikamente. Eine extensive und ganzjährig Beweidung trägt explizit zum Schutz der Insektenvielfalt bei. Umgekehrt kommt den koprophagen (kotfressenden) Biozönosen in beweideten Ökosystemen eine wichtige ökologische Bedeutung zu. Sie sorgen unter anderem für den schnellen Abbau der Ressource Dung, eine schnellere Humusbildung, gute Belüftung und Lockerung der Bodenstruktur. Dies führt zu einer besseren Nährstoffbilanz der Weidefläche. Nicht zuletzt stellen Dunginsekten ein wichtiges Nahrungsangebot für viele Fokusarten des Naturschutzes dar. Dungprofiteure sind Kiebitz, Rotschenkel, Braunkehlchen und opportunistisch jagende Fledermäuse wie das Große Mausohr.

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Dungkäfer Aphodius sp. – Foto: Beatrice Jeschke
Dungkäfer Aphodius sp. – Foto: Beatrice Jeschke
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Kuhfladen Protokoll – Foto: Esther Sossai
Kuhfladen Protokoll – Foto: Esther Sossai
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Untersuchung eines Kuhfladens am Kulkwitzer Lachen – Foto: Miriam Kempe
Untersuchung eines Kuhfladens am Kulkwitzer Lachen – Foto: Miriam Kempe
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Käferlarve – Foto: Beatrice Jeschke
Käferlarve – Foto: Beatrice Jeschke
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Fliegenlarve – Foto: Beatrice Jeschke
Fliegenlarve – Foto: Beatrice Jeschke

Dung ist nicht gleich Dung

Die jeweilige Dungfauna unterscheidet sich nach der Herbivorenart, die den Dung ausscheidet, und zeigt jeweils charakteristische saisonale und vom Zersetzungsgrad abhängige Veränderungen. Natürlich gibt es auch hier generalistische Insekten und stark angepasste Arten. Onthophagus medius beispielsweise ist ein wenig verbreiteter Offenlandbesiedler, der bundesweit gefährdet ist.

Charakteristische Gangsysteme von Mistkäfern, die dungfressende Käferarten für ihren Nachwuchs anlegen. Quelle: (c) NABU|naturgucker-Akademie A-Mönchs Kotkäfer Onthophagus coenobita; B-Stierkäfer Typhaeus typhoeus C-Matter Pillenwälzer Sisyphus schaefferi; D-Mondhornkäfer Copris lunaris; E-Irrender Dungkäfer Colobopterus erraticus; F-Wald-Mistkäfer Anoplotrupes stercorosus; – Foto: (c) NABU|naturgucker-Akademie
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Charakteristische Gangsysteme von Mistkäfern, die dungfressende Käferarten für ihren Nachwuchs anlegen. Quelle: (c) NABU|naturgucker-Akademie A-Mönchs Kotkäfer Onthophagus coenobita; B-Stierkäfer Typhaeus typhoeus C-Matter Pillenwälzer Sisyphus schaefferi; D-Mondhornkäfer Copris lunaris; E-Irrender Dungkäfer Colobopterus erraticus; F-Wald-Mistkäfer Anoplotrupes stercorosus; – Foto: (c) NABU|naturgucker-Akademie

Die Dungkäfer verwerten den Weidedung auf unterschiedlichen Wegen.  Einige leben direkt im Dung, andere an dessen Rand oder in der Schicht zwischen Dung und Boden (Arten der Gattungen Aphodius und Onthophagus).  Andere vergraben dort ihren Nahrungsvorrat (z. B. Geotrupes spec. und Typhoeus spec.) oder transportieren ihn zuvor an eine zum Vergraben besonders günstige Stelle (die Gattung Sisyphus). Schließlich gibt es die sogenannte „rollers“, die formen Teile des Dungs zu Kugeln, ums sie weit abseits zu vergraben.


Beweidungskoryphäe Edgar Reisinger zu Gast beim NABU Sachsen

Das Leben im Kuhfladen - ein Stop-Motion-Filmprojekt der NAJU-Kindergruppe

Das Projekt „Was lebt auf dem Kuhfladen? – Wilde Weidelandschaften und die Insektengemeinschaften des Dungs“ wurde 2023 von dem NABU-Insektenschutzfonds unterstützt und soll in den Folgejahren fortgeführt werden. Bei Vortragsabenden und Veranstaltungen auf der Weide gibt es für Erwachsene und Kinder viel zu entdecken. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen, sich zu beteiligen. Kontakt: naturschutzstation.priessnitz_at_nabu-sachsen.de


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